Mehr als 300 Gäste auf der Fachtagung Führen von Einsatzkräften des Münchner Roten Kreuzes
Im Klinikum Großhadern fand heute bereits zum 19. Mal die Fachtagung Führen von Einsatzkräften des Münchner Roten Kreuzes statt. Mehr als 300 Teilnehmer*innen der Hilfsorganisationen aus München, Bayern und ganz Deutschland tauschten sich dabei zum Rahmenthema "Kommunikation im Einsatz - Wenn miteinander reden so einfach wäre" aus, angeregt durch Vorträge kompetenter Referent*innen.
Tim Saborowski, Diakon, Rotkreuzler und Kommunikationstrainer, sprach zu Beginn der Tagung über die besonderen Bedingungen von Kommunikation unter Stress im Einsatz. Er stellte zudem das Modell des Crew Ressource Management (CRM) und seinen besonderen Wert in der Einsatzkommunikation vor. Anhand anschaulicher Beispiele aus Führungssimulationstrainings stellte er Ursachen und Folgen mangelhafter Kommunikation dar und gab den anwesenden Führungskräften konkrete Tipps für gelingende Kommunikation während und nach Einsätzen.
Dr. Antonia Langhof von der Universität Hannover stellte ihre Forschungsergebnisse aus dem Projekt K3 zur Information und Kommunikation in kritischen Situationen vor. Sie hat dazu in den letzten Jahren eine Vielzahl von Sanitätswachdiensten bei Veranstaltungen begleitet, um möglichst konkrete Beispiele zu beobachten und auch mit den handelnden Akteuren strukturierte Interviews zu führen. Eine Erkenntnis war das Potenzial, das jede einzelne Einsatzkraft in Sonderlagen für die Lageerkundung und -beurteilung darstellt. Um dieses Potenzial zu nutzen ist ein regelmäßiges Üben und Bewusstmachen der relevanten Beobachtungen und Informationen nötig. Als einen Beitrag hierzu hat das Projekt eine Kurzschulung für Einsatzkräfte zu Einsatzstrukturen und Lagemeldung sowie für die Patientenvorsichtung in Sonderlagen und eine passende Taschenkarte entwickelt, die nun bei den Projektpartnern erprobt wird.
Uwe Kippnich, Koordinator Sicherheitsforschung beim Bayerischen Roten Kreuz, stellte im Anschluss seine Erfahrungen aus einer Übung im Projekt K3 im Hinblick auf den Einsatz von social media in der Einsatzführung und -kommunikation vor. Sein Fazit: Social Media kann in der Stabsarbeit bei der Ermittlung des Lagebildes helfen und ein gezieltes Monitoring von social-media-Kanälen ist eine Chance für große Einsätze. Dafür braucht es aber qualifizierte personelle Ressourcen und ein klares Konzept zur Integration in die Stabsarbeit. Social Media sind somit ein wichtiger Sensor für den Bevölkerungsschutz, der nicht nur kritisch gesehen werden sollte.
Ergänzend stellte Marcus da Gloria Martins, Pressesprecher der Münchner Polizei, das Potenzial von social media in der Krisenkommunikation aus Sicht der Polizei dar. Er betonte die Glaubwürdigkeit der Polizei und der Hilfsorganisationen in der Krise und das Spannungsfeld, das sich dadurch zwischen Schnelligkeit und Wahrhaftigkeit ergibt. Er betonte die Herausforderungen hinsichtlich Personalressourcen, Kommunikationsprozessen, der Verarbeitung inkonsistenter Informationen in Echtzeit und strukturierter Vorbereitung für den social-media-Einsatz. Seine wichtige Erkenntnis: Für die social-media-Nutzung in der Krise brauchen wir professionelle Kommunikator*innen mit Organisationswissen und aktueller Medienkompetenz.
Christian Zollner von der Berufsfeuerwehr München sprach über aktuelle Erkenntnisse aus dem praktischen Einsatz des Digitalfunks. Neben der laufenden Verbesserungen am Netz stellte er auch die Betriebsstrukturen und deren Unterstützungsangebote im Einsatzfall vor. Hinsichtlich der digitalen Alarmierung berichtete er von einem Pilotversuch mit etwa 1.000 Endgeräten, der Vorteile und Herausforderungen verdeutlicht. Insbesondere durch die Rückmeldungen der Alarmierten können wertvolle Informationen und auch Zeit gewonnen werden. Bei der Zusammenarbeit gibt es aktuell noch Verbesserungsbedarf bei überörtlichen Einsätzen und bei der gemischten Zusammenarbeit zwischen polizeilicher und nichtpolizeilicher Gefahrenabwehr.
Stefan Voßschmidt vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sprach über die Frage, ob wir uns im Bevölkerungsschutz zu stark auf Mobiltelefone verlassen. Er stellte den Zusammenhang zwischen kritischen Infrastrukturen und die besondere Schlüsselrolle von IT- und Kommunikationsinfrastruktur heraus und beleuchtete die Ursachen für den Ausfall von Kommunikationsinfrastruktur. Sowohl natürliche als auch menschengemachte Ursachen kommen dafür in Frage. Speziell bei Stromausfall fallen nach wenigen Stunden beinahe alle Kommunikationssysteme aus. Als Möglichkeiten für den Ersatz der Handykommunikation stellte er so verschiedene Ansätze wie Amateurfunk, Satellitentelefone und motorisierte Melder vor. Insgesamt forderte er die Führungskräfte auf, sich die Abhängigkeit bewusst zu machen und entsprechend vorzuplanen.
Zwei Einsatzberichte rundeten den inhaltlichen Teil der Fachtagung ab. Thomas Klich vom Roten Kreuz in Hof stellte das Busunglück auf der A9 bei Münchberg am 3.7.2017 vor. Dort war ein Reisebus auf ein Stauende aufgefahren und war sofort in Brand geraten. Insgesamt waren 371 Einsatzkräfte beteiligt, was die Herausforderungen im Bereich Kommunikation verdeutlicht. Gerüchte, stark traumatisierte Beteiligte, große mediale Aufmerksamkeit und viel Abstimmungsaufwand mit den beteiligten Rollen und Organisationen waren prägend für diesen Einsatz. Die 18 Todesopfer dieses Einsatzes haben alle Beteiligten nachhaltig bewegt, weshalb viel Aufmerksamkeit auf die Nachbetreuung gelegt wurde.
Der Einsatzbericht von Dr. Rolf Erbe und Frank Hoedt von der Berliner Feuerwehr über den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz war vor allem wegen des Videomaterials von der Einsatzstelle sehr authentisch und verdeutlichte das Ausmaß des Schadensereignisses und die Wirkung auf die Helfer.
Eine begleitende Fachausstellung präsentierte branchenrelevante Produkte und ermöglichte durch die finanziellen Beiträge erst die Durchführung der Veranstaltung. Die Teilnehmer*innen nutzten die Pausen intensiv zum Besuch der Ausstellung und zum Austausch untereinander. Der Betreuungsdienst des Münchner Roten Kreuzes sorgte für das leibliche Wohl.
"Ich freue mich, dass die Veranstaltung regional und überregional so großen Zuspruch findet", sagte Karl-Heinz Demenat, Vorsitzender des Münchner Roten Kreuzes, in seinen Grußworten. "Ich bedanke mich beim ehrenamtlichen Organisationsteam, das die Tagung routiniert und professionell auf die Beine gestellt hat."