Ehrenamtliche sind das Rückgrat aller Hilfsorganisationen. Doch wenn die Hilfe der Mitglieder während der regulären Arbeitszeit benötigt wird, dann kollidiert das Engagement mit der Pflicht jedes Arbeitnehmers: Während Einsatzkräfte von Feuerwehren und Technischem Hilfswerk (THW) in solchen Fällen bezahlt der Arbeit fern bleiben können, gilt das für alle anderen Hilfsorganisationen in den meisten Fällen nicht. Über diese Ungleichbehandlung von Ehrenamtlichen im Bevölkerungsschatz diskutierte ein hochkarätiges Panel am Mittwoch beim Münchner Roten Kreuz.
Der Einladung des Vorsitzenden des Münchner Roten Kreuzes, Paul A. Polyfka, waren die Landtagsabgeordneten Andreas Lorenz (CSU), Florian Ritter (SPD) und Julika Sandt (FDP) sowie die Landtagskandidaten Ruth Busl (Freie Wähler) und Dr. Andreas Siebel (FDP) gefolgt, ebenso Leonhard Stärk, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK).
Die Ungleichbehandlung der Ehrenamtlichen wurde besonders deutlich, als Moderator Paul Polyfka praktische Einsatzbeispiele vorstellte und die Politiker und das Plenum jeweils abstimmen ließ, ob für den jeweiligen Fall ein Freistellungsanspruch gegeben sei oder nicht. Von der Betreuung gestrandeter Bahnreisender beim Sturm "Kyrill" über Staueinsätze im Winter, das Betreiben von Notunterkünften bei Bombenfunden, Sucheinsätze der Rettungshundestaffel, das Verpflegen von Einsatzkräften oder den Transport und Aufbau von Feldbetten für wartende Fluggäste reichte die Palette. Für all diese Fälle haben die ehrenamtlichen Rotkreuzler keinen Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsanspruch. Helfer von Freiwilligen Feuerwehren, die dort ebenso im Einsatz sind, haben jedoch einen Freistellungsanspruch aus dem Feuerwehrgesetz.
BRK-Landesgeschäftsführer Stärk schilderte das Zustandekommen der sogenannten Retterfreistellung, die seit der Änderung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes im April 2013 gilt. Sie gewährt ehrenamtlichen Einsatzkräften des Rettungsdienstes unter bestimmten Voraussetzungen einen Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn sie während ihrer Arbeitszeit alarmiert werden. Dies sei ein wichtiger erster Schritt, entspreche aber nicht der seit Jahren vom Roten Kreuz geforderten Helfergleichstellung, die eine vollständige rechtliche Gleichbehandlung der ehrenamtlichen Helfer im Bevölkerungsschutz zum Ziel hat. Mehr sei in der aktuellen Legislaturperiode und wegen der inhaltlichen Beschränkung des Rettungsdienstgesetzes jedoch nicht erreichbar gewesen. Deshalb hätten die Hilfsorganisationen die Regelung "schweren Herzens" akzeptiert, so Stärk.
Die anwesenden Landtagsabgeordneten äußerten übereinstimmend, die Retterfreistellung sei bei ihnen nicht als erster Schritt, sondern eher als finaler Erfolg angekommen. Auch sei ihnen die rechtliche Ungleichbehandlung der ehrenamtlichen Helfer von Feuerwehren, Hilfsorganisationen und THW so nicht bewusst gewesen. Umso wichtiger seien Dialoganlässe wie dieser, um die Sichtweise der Betroffenen kennenzulernen.
Der SPD-Abgeordnete Florian Ritter brachte das Problem auf den Punkt:
Die Ehrenamtlichen der Hilfsorganisationen übernehmen ebenso wie die Helfer der Feuerwehr staatliche Aufgaben. Eine rechtliche Ungleichbehandlung könne dabei nicht sein, die Trägerschaft der Organisation sei unerheblich. Andreas Lorenz (CSU) erkannte ebenfalls weiteren Handlungsbedarf. "Was nicht sinnvoll geregelt ist, ist nicht gut gelöst", sagte er.
Alle Abgeordneten und Kandidaten zeigten sich offen für einen Dialog zur Helfergleichstellung. FDP-Abgeordnete Julika Sandt plädierte für eine Parlamentsanhörung zum Thema, Ruth Busl (Freie Wähler) regte einen parlamentarischen Abend mit den betroffenen Verbänden und Organisationen an. Dr. Andreas Siebel (FDP) gab zu bedenken, man dürfe die Arbeitgeber nicht überfordern.
BRK-Landesgeschäftsführer Stärk kündigte an, das Ziel der Helfergleichstellung innerhalb des Roten Kreuzes in den entsprechenden Gremien zu diskutieren und konkrete Forderungen für die nächste Legislaturperiode zu entwickeln. Paul Polyfka verlieh dem Nachdruck und machte deutlich, dass eine echte Helfergleichstellung weiterhin das erklärte Ziel des Roten Kreuzes sei.
"Das Rote Kreuz ist eine soziale Bewegung mit 150-jähriger Geschichte, die traditionell allen Hilfsbedürftigen unterschiedslos Hilfe gewährt", betonte Polyfka. "Deswegen wollen auch wir rechtlich gleich behandelt werden wie die Kollegen der Freiwilligen Feuerwehr oder des THW, die ebenso wichtige Aufgaben im Bevölkerungsschutz übernehmen wie wir."
Hintergrund
Für Ehrenamtliche im Bevölkerungsschutz gelten aktuell bei Einsätzen unterhalb der Katastrophenschwelle unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen. Während Helfer der Freiwilligen Feuerwehren angemessene Ansprüche auf Freistellung und Entgeltfortzahlung haben, ist dies für Helfer der Hilfsorganisationen nicht der Fall. So kann es sein, dass bei einem gemeinsamen Einsatz der Feuerwehrhelfer von der Arbeit freigestellt wird, der Rotkreuzhelfer aber Urlaub nehmen muss. Das Münchner Rote Kreuz setzt sich daher für eine rechtliche Gleichbehandlung aller ehrenamtlichen Helfer im Bevölkerungsschutz ein.